Mathematik kann sehr langweilig und trocken sein. Jedoch ist auf sie wenigstens Verlass. 2 Äpfel + 2 Äpfel sind immer 4 Äpfel, dagegen kann niemand etwas tun. Wieviel Geld muss man eigentlich ansparen, um von den Erträgen leben zu können und theoretisch nie wieder arbeiten zu müssen? Dieser Artikel wird dieser Frage anhand von einfacher Mathematik auf den Grund gehen. Am Ende hat man eine Faustformel mit der man seinen eigenen Betrag ungefähr abschätzen kann.
Sichere Entnahmerate
Eine bekannte Theorie in der Welt des Frugalismus ist die “4-Prozent-Regel” oder auch “Sichere Entnahmerate”, welche ich in diesem Beitrag näher erläutern werde. Deren Hauptaussage ist, dass ich von meinem angesparten Vermögen rund 4% pro Jahr ausgeben kann, um mit hoher Sicherheit nie bankrott zu gehen. (Dies setzt natürlich voraus, dass mein Geld Erträge bringt. In diesem Artikel über Anlageformen gehe ich näher auf dieses Thema ein.)
Man kann die Sichere Entnahmerate ebenso berechnen, wenn man seine jährlichen Ausgaben mit 25 multipliziert. Hätte eine Privatperson zum Beispiel Kosten von 30000 Euro pro Jahr, müsste sie 750000 Euro (30000 x 25) ansparen um diese Kosten decken zu können. Eine andere Möglichkeit dies zu berechnen wäre 750000 x 0.04 = 30000. Mit meinem Vermögensrechner (Link) kann man selber einmal ausprobieren, wieviel Geld man für seine finanzielle Unabhängigkeit braucht.
Woher kommt diese Berechnung?
Auf dem einfachsten Level kann man sich folgendes überlegen: Du hast dein Vermögen in Werten wie Aktien und Immobilien investiert. Diese bringen dir jährlich eine durchschnittliche Rendite von 7% . Dies ist kein arbiträrer Wert, wenn….. Wenn man nun davon ausgeht, dass die Inflation 2% beträgt und 1% an Gebühren fällig wird, bleiben 4% übrig die du jedes Jahr ausgeben kannst, für immer.
Gibt es eine Garantie?
Natürlich weicht die Realität von dieser Berechnung ab. Aktienwerte gehen jedes Jahr rauf und runter, genau so wie die Inflation. In der Vergangenheit gab es außerdem Ereignisse, wie diverse Finanzkrisen und Kriege, welche großen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum und damit auch Vermögenswerte hatten. Ob man von seinem angesparten Vermögen leben kann, hängt stark davon ab zu welchem Zeitpunkt man aufgehört hat zu arbeiten. Idealerweise kauft man die Aktien und Immobilien am Ende einer konjunkturschwachen Phase. Doch niemand kann diese Dinge im Voraus sehen. Wie findet man nun die richtige Antwort? Zum Glück haben sich Wissenschaftlicher mit dieser Frage beschäftigt.
Die Trinity-Studie
Eine absolut essentielle Studie für Frugalisten kommt von der Trinity University in Texas. Die Studie mit dem Namen “Retirement Spending: Choosing a Sustainable Withdrawal Rate” betrachtete eine hypothetische Person, welche ihr Geldvermögen 50% in Aktien und 50% in Anleihen investiert hat und wieviel Prozent dieses Geldvermögens sie innerhalb von 30 Jahren ausgeben könnte, ohne bankrott zu gehen. Dafür wurden insgesamt 41 Zeiträume betrachtet – 1925-1955, 1926-1956 und so weiter.
Das Ergebnis ist ziemlich vielversprechend. Selbst im unglücklichsten Fall wäre man nicht pleite gegangen, wenn man jedes Jahr höchstens vier Prozent des anfänglichen Geldvermögens ausgegeben hätte.
Es wird allerdings noch besser. Die Trinity Studie geht von folgenden Punkten aus, welche bei einem persönlich komplett anders aussehen können (und sollten):
- Es wird nie wieder Geld verdient, auch nicht durch Teilzeitarbeit oder selbständige Projekte
- Es gibt keine staatliche Pension
- Die jährliche Entnahme wird nicht an die Umstände angepasst (in Zeiten einer Regression wäre es ratsam weniger zu entnehmen, damit man seine Aktien nicht unter Wert verkauft – in diesem Artikel gehe ich näher auf das Thema ein)
- Es wird im Alter nicht weniger ausgegeben (diverse Studien belegen, dass die Ausgaben im Alter sinken)
- Die fiktive Person hat erhält keine Geldgeschenke oder ein Erbe
Ein weiterer Punkt, welchen man unbedingt beachten sollte: Selbst wenn die Börsen zusammenbrechen und es nie wieder Zinsen auf Geldanlagen gibt, reicht das angesparte Vermögen für rund 20 Jahre, wenn du nur 4% pro Jahr ausgibst.
Eine aktualisierte Betrachtung der Trinity Studie und die Erfolgsraten von diversen Portfolios kann man hier finden.
Fazit
Wenn man sich diese Punkte verinnerlicht, merkt man schnell, dass die Trinity Studie mit ihrem Vorschlag von 4% eine sehr gute Faustregel bietet. Generell ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass es keine Garantien bei diesen Berechnungen gibt. Dennoch ist die 4-Prozent-Regel ein wichtiges Werkzeug, um den persönlichen Geldbetrag für die finanzielle Unabhängigkeit abzuschätzen.
Literatur
Cooley, P., Hubbard, C., & Walz, D. (1998). Retirement Spending: Choosing a Sustainable Withdrawal Rate. Journal Of The American Association Of Individual Investors, 20(2), 16-21.
Pfau, W. (2020). The Trinity Study and Portfolio Success Rates. Eingeholt am 20 Mai 2020, https://www.forbes.com/sites/wadepfau/2018/01/16/the-trinity-study-and-portfolio-success-rates-updated-to-2018/#4bfa0cd76860